Die Herausforderungen der Digitalisierung in der Technischen Redaktion

von Ulrike Parson am 27. Februar 2019

Zugehörige Leistung: Digitalisierungsberatung

Die digitale Transformation beschränkt sich nicht auf die Änderung von Produktionsabläufen und die Automatisierung von Arbeitsprozessen. Sie betrifft viele Bereiche der Gesellschaft.

Dieser Artikel erschien in: Hennig, Jörg und Tjarks-Sobhani, Marita (Hrsg.): Schriften zur Technischen Kommunikation, Nutzen für Produkt und Unternehmen, Band 23, S. 171-184.

Auswirkungen der Digitalisierung

Mit der Digitalisierung ändern sich Produkte, Geschäftsmodelle, Wertschöpfungsketten, Kundenverhalten und Arbeitswelt. Das verändert auch die Arbeit der Technischen Redakteure radikal.

Produkte und Maschinen
Dank digital gesteuerter Fertigung werden Produkte in vielen Varianten hergestellt, bis hin zur Einzelfertigung. Darüber hinaus werden Produkte zunehmend smarter und vernetzter: Zusätzlich zu den mechanischen und elektrischen Komponenten erhalten sie eine Kommunikations- und Softwareausstattung für digitale Aufgaben:

Kommunikation der Werkstücke und Produkte entlang der Wertschöpfungskette, z.B. mit Fertigungs- und Logistiksystemen

Sammlung von Daten über die Nutzung und Konfiguration des Produkts. Der Hersteller kann diese Daten aggregieren, auswerten und so die Nutzung und Lebensdauer von Produkten optimieren sowie Zusatznutzen im Service erzielen. Ein typisches Beispiel ist die vorbeugende Wartung.

Kommunikation von Produkten untereinander, z.B. zur Steuerung von Fertigungsabläufen (Maschine-zu-Maschine-Kommunikation)

Kommunikation mit dem Anwender zur Optimierung der Nutzung, der individuellen Konfiguration der Produkteigenschaften oder Vernetzung von Systemen. Typische Anwendungen sind Smart-Home-Systeme.

Maschinen und Anlagen erhalten einen sog. digitalen Zwilling, der alle Informationen zu Variante, Konfiguration, Sensorwerten, Wartung usw. enthält. Zum Zwilling gehören auch digitale Nutzungsinformationen wie Bedienungs- und Wartungsanleitung oder Datenblätter.

Abb. 1: Der digitale Zwilling. © Katrin Mehl, parson AG

Die Herstellung smarter und vernetzter Produkte erfordert ein anderes Produktdesign: Die Produkte erhalten eine Softwareschicht, eine Kommunikationsschicht und eine dazu passende Hardware. Auf Herstellerseite sind Cloudlösungen für die Speicherung, Aggregation und Auswertung der Sensor- und Messdaten erforderlich. Produktentwicklung und Konstruktion erfordern deshalb neue Kompetenzen wie Softwareentwicklung, Cloud-Computing, Datenanalyse, Kommunikationstechnologie und Usability Engineering. Die Entwicklungsteams werden interdisziplinärer, damit diese Kompetenzen eingebracht werden können (Porter/Heppelmann 2015).

Auswirkungen auf die Technische Dokumentation

Smarte Produkte erfordern eine smarte Dokumentation in Form von intelligenten Informationen. Statt traditioneller Handbücher werden für die Anwender und die digitalen Zwillinge digitale Nutzungsinformationen (Fritz 2017) ausgeliefert.

Für die neuen Anwendungsszenarien wie Produkt-Individualisierung und vorbeugende Wartung benötigen wir neue, standardisierte Informationsarten und modularisierte Texte, die Anwender oder Applikation je nach Bedarf für das entsprechende Szenario aufrufen oder unterstützend angeboten bekommen. Beispiele sind Tutorials für die Einrichtung eines Smart-Homes oder Wartungsanleitungen, die aufgrund eines gemessenen Betriebszustandes an den Servicetechniker übermittelt werden.

Daher sollten wir Technische Dokumentation lösungsorientiert und aufgabenbasiert für verschiedene Zielgruppen aufbauen. Neben der Standardisierung der Informationsarten, z.B. Anleitung und Problemlösung, erfordert das auch, dass sich Technische Redakteure stärker mit ihren Zielgruppen auseinandersetzen und Usability-Methoden wie Personas und Customer-Journeys verwenden. Rückmeldungen aus dem Feld, z.B. von Servicetechnikern, müssen schneller in die Dokumentation zurückfließen. Schnellere Änderungszyklen und eine kontinuierliche Aktualisierung und Auslieferung der digitalen Nutzungsinformationen sind die logische Konsequenz.

Auch wenn smarte Produkte leichter zu bedienen sind, bedeutet das nicht das Ende der Dokumentation, denn technische Systeme werden durch die Digitalisierung auch komplexer. Abgesehen von den rechtlichen Anforderungen wird nach wie vor Dokumentation gebraucht – vielleicht nicht für die einfachen Standardfälle, aber zum Verstehen komplexer Architekturen und Datenflüsse sowie zum Beheben von Störungen. Es ist also möglich, dass die Dokumentation weniger Handlungsanweisungen enthält, aber dafür mehr Konzepte, Hilfestellung zu Fehlerbehebung und Hintergrundwissen (Becker 2018).

Trotz steigender Variantenvielfalt nimmt die Bereitschaft der Anwender ab, in der Dokumentation nach der passenden Information für die aktuelle Produkt- und Konfigurationsvariante zu suchen. Bei der Auslieferung der Nutzungsinformationen an eine Maschine oder Anlage muss die Variante explizit und maschinenlesbar ausgezeichnet sein, damit die richtige Information für die Anfrage geliefert werden kann.

Durch die neuen Nutzungsszenarien und die höhere Variantenvielfalt wird die Menge an benötigter Dokumentation eher größer. Was sich verringert, ist die Größe der Informationsmodule – diese werden viel feingranularer, damit sie für verschiedene Varianten und Zwecke wiederverwendet werden können. Gleichzeitig muss jedes Modul eine klare Informationsart haben und mit Metadaten angereichert sein, damit Verwendungszweck und Produktvariante automatisch auswertbar sind.

Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten

Die Digitalisierung betrifft die gesamte Wertschöpfungskette und die Zusammenarbeit aller Akteure entlang dieser Kette. Eine mögliche Wertschöpfungskette kann so aussehen:

  • Kundenanforderungen und gewünschte Konfigurationen werden digital erfasst.
  • Konstruktions- und Fertigungssimulationen ermöglichen es den Herstellern zu bewerten, ob individuelle Anfertigungen und neue Produktkonfigurationen machbar sind und wie die Kosten dafür aussehen.
  • Hersteller kommunizieren benötigte Liefermengen und -termine digital mit Lieferanten und Transportdienstleistern.
  • Fertigungsanlagen sind konfigurierbar, bis hin zur Einzelfertigung. Die Produktionsplanung erfolgt digital.Aufträge werden elektronisch verarbeitet. Kunden- und Lieferantenprofile ermöglichen maßgeschneiderte Angebote.
  • Lieferungen werden überwacht, sodass Liefertermine berechnet werden und die Lieferungen zurückverfolgt werden können.
  • Das Produkt wird beim Kunden überwacht und ggf. vorbeugend gewartet.

Die Wertschöpfungsketten werden so immer agiler und flexibler, die Durchflusszeiten verringern sich. Die Innovationszyklen werden kürzer.

Abb. 2: Elemente einer digitalen Wertschöpfungskette. © j-mel, fotolia.com

Die Digitalisierung verursacht massive und disruptive Änderungen des Marktes. Neue Produkte und Dienstleistungen entstehen, als Standard angesehene Produkte und Hersteller verschwinden plötzlich. Neue Angebote entwickeln sich, die nicht auf klassischen Produkten basieren, sondern auf der Bereitstellung von Plattformen (Airbnb), Verfügbarkeit (DriveNow, Call a Bike) oder Dienstleistungen (E-Mail-Dienste, Reisebörsen). Oft kombinieren die Anbieter ihre Produkte mit Dienstleistungen, um einen Zusatznutzen für die Kunden zu bieten (Kaufmann 2015). Beispiele sind die Energieberatung für Hausbesitzer auf Grundlage der Daten aus dem Smart- Home-System und Verträge für vorbeugende Wartung.

Für diese neuen Geschäftsmodelle gelten andere Abrechnungsmodelle als der klassische Stück- oder Stundenpreis. Bezahlt wird pro Nutzungsmenge oder -dauer, pro Ersparnis oder Optimierung, für überdurchschnittliche Abnutzung oder für Zusatzleistungen.

In einer Studie im Auftrag von Bitkom wurden Industrieunternehmen befragt, was ihr Industrie-4.0-Angebot beinhaltet (Ernst & Young 2017). Neben den Industrie-4.0-Produkten selbst sind Wartungsverträge und technische Beratung ganz vorne dabei. (S. Abb. 3)

Unternehmen sehen große Chancen durch die neuen digitalen Geschäftsmodelle, wie eine andere Studie zeigt, vor allem durch den verbesserten Service (Tata 2017). (S. Abb. 4)

Auswirkungen auf die Technische Dokumentation

Auch die Dokumentation wird Teil der digitalen Wertschöpfungskette. Technische Redakteure können nicht ihre gewohnten Arbeitsweisen mit großen PDF-Dokumenten und starren Aktualisierungs- und Freigabeprozessen auf Dokumentenbasis beibehalten, wenn sie mit digitalisierten Unternehmensprozessen Schritt halten wollen.

Abb. 3: Arten von Industrie-4.0-Angeboten, © Ernst&Young und Bitkom Research

So erfordert z.B. eine bedarfsgesteuerte Konfiguration oder Fertigung von Produkten eine flexible, merkmalsgesteuerte Informationsarchitektur, mit der schnell eine passende Dokumentation zu einer neuen Produktvariante zusammengestellt werden kann. Je höher die Zahl der Varianten, umso weniger Zeit ist für manuelle Anpassungen und Bearbeitung von Dokumenten verfügbar.

Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass verschiedene Abteilungen bei der Merkmalsklassifikation für Produkte und Dokumentation zusammenarbeiten. Produktmerkmale und Variantenmerkmale für die Dokumentation überschneiden sich in hohem Maße, denn neue Produktvarianten benötigen eine passende Dokumentation. Auch für das Bild für den Kunden ist es wichtig, dass Marketingmaterialien, Dokumentation und Produkttexte dieselbe Sprache sprechen. Eine gemeinsame Klassifikation oder Produkt- Ontologie stellt somit eine gute Basis für die digitale Wertschöpfungskette dar.

Die Geschäftsmodelle für die Produkte bestimmen, wie sie genutzt werden. Das muss auch die Dokumentation widerspiegeln. Wenn z.B. in einer Abfüllanlage pro verbrauchtem Liter Druckluft abgerechnet wird, möchte der Anwender wissen, wo der Verbrauch abgelesen wird und welche Maßnahmen den Verbrauch senken.

Abb. 4: Potenziale der Digitalisierung, © Tata Consultancy Services und Bitkom Research

Mit dem steigenden Anteil an Dienstleistungen wird auch die Service-Dokumentation immer bedeutsamer. Hierfür werden ggf. andere Informationsarten benötigt als für die Produktdokumentation, z. B. Serviceberichte, Fehleranalysen oder Video-Tutorials. Auch Augmented-Reality-Anwendungen gewinnen an Bedeutung. Die Metadaten der Dokumentation ermöglichen das gezielte Abrufen von Informationen in Service-Szenarien oder Augmented-Reality-Anwendungen. Dazu gehören z. B. Metadaten für Komponenten, Lebenszyklusphasen, Fehlerzustände und mehr.

Digitale Geschäftsmodelle benötigen erklärende Informationen. Hier eröffnet sich ein neues Betätigungsfeld für Technische Redakteure. Eine Dienstleistung muss genauso erklärt werden wie ein Produkt. Für ein serviceorientiertes Geschäftsmodell ist es wichtig, dass Marketing, Dokumentation und Serviceabteilung gut miteinander kooperieren, dieselbe Terminologie verwenden und Inhalte für verschiedene Zwecke abteilungsübergreifend wiederverwenden können. Die verkürzten Innovationszyklen führen dazu, dass Produktund Serviceinformationen in kurzer Zeit bereitgestellt werden müssen. Auch hier sind ein modulares und standardisiertes Informationsmodell sowie eine automatisierte Publikation und Auslieferung nützlich, um schnell auf Anforderungen reagieren zu können.

Kundenverhalten und -erwartungen

Mit der Digitalisierung ändert sich das Nutzungsverhalten – das gilt nicht nur für die Technische Dokumentation, sondern auch für Softwareprogramme, Apps, Bücher, Zeitungen usw. Alles soll auf kleinen Bildschirmen lesbar und bedienbar sein. Wir erwarten, dass Informationen über das Internet abrufbar oder zumindest synchronisierbar sind. Die Quelle einer bestimmten Information möchten die Leser nicht wissen; dagegen erwarten sie, dass die Informationen aus verschiedenen Quellen wie Marketing, Produktion und Dokumentation konsistent sind.

Unabhängig von unserem Alter sind wir es mittlerweile gewohnt, Informationen in kleinen Häppchen zu konsumieren und mit Filtern lange Suchergebnislisten auf das wirklich benötigte Stückchen Information zu reduzieren. In diesem Zusammenhang haben sich neue Such- und Navigationsstandards für Websites entwickelt, die Nutzer instinktiv auch auf Dokumentationsportale anwenden. Anwender sind es auch gewohnt, dass ein Portal sie kennt und die Informationsauswahl individualisiert.

Visuelle Unterstützung für Lern- und Wissensprozesse wird nicht zuletzt aufgrund der höheren Bandbreite von Kommunikationsleitungen immer selbstverständlicher. Videos sind in vielen Websites eingebettet und Augmented-Reality wird gebräuchlicher.

Und nicht nur die Maschinen vernetzen sich, auch wir vernetzen uns digital immer mehr – über Communities, soziale Netzwerke, Firmennetzwerke, Lernplattformen. Wir erhalten Newsletter, Blogfeeds und andere Benachrichtigungen.

Abb. 5: Der vernetzte Mensch, © elaborah, fotolia.coma

Auswirkungen auf die Technische Dokumentation

Technische Dokumentation wird zu digitalen Nutzungsinformationen, die Anwender auf mobilen Endgeräten, am Bildschirm an der Maschine oder am Firmen-PC lesen und durchsuchen können. Wichtig sind auch hier die Eigenschaften, die oben bereits beschrieben wurden: modulare, mit Metadaten angereicherte und maschinenlesbare Informationsmodule mit standardisierten Informationsarten, die für verschiedene Zwecke verwendbar sind.

Arbeitswelt und Unternehmenskultur

Mit der Digitalisierung wird unsere Welt komplexer und schneller. Viele Dinge ändern sich in kurzer Zeit. Deswegen spricht man auch von einer VUCA-Welt:

  • V = volatile (volatil), d.h. schnell veränderlich
  • U = uncertain (unsicher)
  • C = complex (komplex)
  • A = ambiguous (mehrdeutig)
Abb. 6: VUCA-Welt, © trueffelpix, de. 123rf.com

Starr organisierte, nicht agil arbeitende Unternehmen haben Schwierigkeiten, auf disruptive Marktänderungen zu reagieren. Unternehmen müssen schnell auf neue, digitale Trends eingehen oder sie definieren, sonst verlieren sie den Anschluss. Das haben Beispiele wie Nokia im Mobiltelefonsektor oder Kodak bei der Fotografie bewiesen, die durch disruptive Veränderungen aus dem Markt gedrängt wurden.

Hierarchische und starre Organisationsformen führen oft zu langen Entscheidungswegen. Entscheidungen werden im Management getroffen, also dort, wo die Befugnis, aber nicht notwendigerweise die Kompetenz vorliegt.

Gleichzeitig kämpfen Unternehmen mit einem zunehmenden Fachkräftemangel. Unternehmen müssen daher mehr auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen; und bei denen spielen heute Arbeitsklima, sinnstiftende Tätigkeiten und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine größere Rolle als ein hohes Gehalt.

In diesem Zusammenhang entwickeln sich neue Organisationsformen für Unternehmen, z.B. soziokratische statt hierarchischer Strukturen oder agile Organisationen. Sie sind geprägt durch selbstbestimmtes Arbeiten, eine offene Kommunikation (auch über Fehler), schnelle Entscheidungen und eine stärkere Ausrichtung am Kunden (Laloux 2015 und Schüttelkopf 2015). Das hilft Unternehmen, die Herausforderungen der VUCA-Welt zu meistern.

Die Digitalisierung schafft viele neue Kooperationsmöglichkeiten. So können wir über Standorte hinweg Teams bilden und Projekte realisieren, weil Cloud- und Weblösungen uns überall arbeiten lassen. Videokonferenzen, Intranets und Chats erlauben es uns, mit Kollegen überall auf der Welt zu kommunizieren.

Für die neuen smarten Produkte brauchen wir interdisziplinäre Teams mit verschiedenen Kompetenzen aus Konstruktion, Softwareentwicklung, Usability, Dokumentation, Service und Marketing. So verschwimmen die althergebrachten Grenzen zwischen den Abteilungen, und bestehende Prozesse werden infrage gestellt.

Die neue Art zu arbeiten erfordert aber auch, dass wir lebenslang dazulernen. Nichts bleibt so, wie es war. Ständig kommt ein neues Programm hinzu, die Cloudlösung wird über Nacht aktualisiert und der Kollege arbeitet plötzlich in einer neuen Zeitzone. Unternehmen müssen daher neben einem Weiterbildungsprogramm auch ein Change-Management etablieren, damit die eng getakteten Änderungen nicht zu Widerständen führen.

Auswirkungen für Technische Redakteure

Die Veränderungen der Arbeitswelt betreffen auch die Technischen Redakteure, denn sie benötigen neue Kompetenzen, um sich in digitale Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle zu integrieren (s. auch Becker 2018).

  • Hohe IT-Kompetenz zur Nutzung neuer Unternehmenstechnologie, Dokumentationstechnologie und Kommunikationsmittel
  • Strategisches Denken für die Einordnung der Content-Strategie in die Digitalisierungsstrategie des Unternehmens
  • Agiles Projektmanagement und betriebswirtschaftliches Denken für die Durchführung von Digitalisierungsprojekten
  • Erarbeiten zusätzlicher Kenntnisse für die Dokumentation smarter Produkte mithilfe intelligenter Informationen, z.B. Softwaredokumentation, Modularisierung, Content-Management und Metadaten-Management
  • Orientierung am Anwender, Kenntnisse in Usability-Engineering
  • Vernetztes Arbeiten
  • Internationale Fachkommunikation für globalisierte Unternehmen
  • Wissensmanagement

Die gute Nachricht ist, dass Technische Redakteure bestens gerüstet sind für die digitale Transformation. Anwendergerechte Technische Dokumentation zu entwickeln erforderte von Redakteuren schon immer, abteilungsübergreifend zu arbeiten und zu kommunizieren, komplexe technische Zusammenhänge und Abläufe zu verstehen sowie gute Texte zu schreiben. Und mit vielen verschiedenen IT-Systemen müssen die meisten von uns täglich umgehen. Da sich unser Berufsfeld und die Produkte, die wir dokumentieren, ständig weiterentwickeln, sind wir lebenslanges Lernen gewohnt.

Unternehmensweite Digitalisierungsstrategie

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die digitale Transformation nur gelingen kann, wenn es eine unternehmensweite Digitalisierungsstrategie gibt, die nicht allein von der IT getrieben ist, sondern in allen Bereichen des Unternehmens verankert und zentral gesteuert ist. Technische Redakteure können hier einen wertvollen Beitrag leisten und sollten Digitalisierungsvorhaben für die Technische Dokumentation in die Gesamtstrategie des Unternehmens einbetten.

Digitale Transformation der Dokumentation

Die digitale Transformation ist kein Selbstläufer, sondern kostet Unternehmen viel Kraft und Aufwand für einen nicht immer klar zu beziffernden Nutzen. In diesem Spannungsfeld befindet sich auch die Technische Dokumentation.

Hürden für Unternehmen

In einer Befragung im Auftrag von Bitkom Research wurden folgende Hürden für die digitale Transformation identifiziert (Tata 2017). Auf den vorderen Plätzen befinden sich die Anforderungen an die IT-Sicherheit und den Datenschutz sowie fehlende Vorgaben aus der Geschäftsleitung (s. Abb. 7).

Häufige Ursachen für das Scheitern von Digitalisierungsprojekten sind u.a. (Bitkom 2018):

  • Unzureichende Einbettung in die Digitalisierungsstrategie des Unternehmens oder fehlende Gesamtstrategie für die digitale Transformation des Unternehmens
  • Unzureichendes Budget
  • Ungenügendes oder nicht vorhandenes Change-Management
  • Langwierige Entscheidungsprozesse
  • Starre Organisationsstrukturen
  • Fehlende Standards

Diese Hemmnisse müssen auch bei Digitalisierungsprojekten in der Technischen Dokumentation beachtet werden.

Die Bedeutung von Standards

Standards sind eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation, denn die Vernetzung von Produkten und deren Nutzungsinformationen überschreitet die Unternehmensgrenzen. Einheitliche Schnittstellen zum Austausch von Daten und Abrufen von Services und Informationen sind erforderlich.

Im Bereich der Industrie gibt es bereits einige Standardisierungsprojekte, vor allem im Zusammenhang mit Industrie 4.0 (Nuding 2017). Hier sollen nur einige Beispiele genannt werden:

  • RAMI 4.0
  • OPC-UA
  • Automation ML
  • VDI-Richtlinie 2770 „Digitale Herstellerinformationen“
  • Digitale Lebenslaufakte, z.B. DIN-SPEC 91303
  • iiRDS

Für Technische Redakteure sind im Zusammenhang mit intelligenten Informationen die Standards iiRDS und VDI 2770 von Bedeutung.

Abb. 7: Hürden für Unternehmen bei der Digitalisierung, © Tata Consultancy Services und Bitkom Research

Die Transformation der Technischen Dokumentation

Dokumentation in intelligente Informationen zu transformieren, ist eine der wichtigsten Aufgaben für die Dokumentationsabteilungen vieler Unternehmen.

Intelligente Informationen sind modular, werden formatneutral erzeugt und sind über Metadaten und Volltextsuche erschließbar. Metadaten ermöglichen Anwendungen, technische Dokumentation intelligent abzufragen und genau das Informationshäppchen auszuliefern, das zum Anwendungskontext und der Rolle des Anwenders passt (Parson 2017).

Eine Transformation klassischer dokumentenorientierter Dokumentation und Prozesse erfordert weitreichende Umstellungen im Arbeitsfeld der Technischen Redaktion:

  • Modularisierung der Inhalte
  • Ausrichtung der Inhalte an neuen, digitalen Prozessen und Geschäftsmodellen: zielgruppengerecht, variantengerecht, aufgabenbasiert und lösungsorientiert
  • Standardisierung der Informationsarten, auch über Abteilungsgrenzen hinaus
  • Verbindung der Dokumentationsinhalte mit anderen Informationsarten aus Service, Marketing und Schulung
  • Entwicklung eines Metadatenmodells, das Wiederverwendung und Variantenmanagement auf der Autorenseite und die kontextabhängige Nutzung auf der Anwendungsseite unterstützt. Grundlage sollte eine gemeinsame Taxonomie/Ontologie verschiedener Unternehmensbereiche sein.
  • Verwendung von formatneutralen und standardisierten Dateiformaten für die Inhalte und die Metadaten; Trennung von Inhalten und Metadaten
  • Entwicklung einer flexiblen und skalierbaren Informationsarchitektur, welche die dynamische Zusammenstellung von Informationsprodukten auf Grundlage der Merkmalsklassifizierung ermöglicht
  • Automatisierte Publikation von Informationsprodukten und kontinuierliche Auslieferung in einem standardisierten Format
  • Einbettung von visuellen Informationsarten (Bild, Video), eLearning und ggf. Augmented-Reality
  • Einbettung von Echtdaten und Sensordaten
  • Integration von Anwenderfeedback

Vorgehensmodell

Ein strukturiertes Vorgehen unterstützt Technische Redakteure dabei, die Umwandlung ihrer Dokumentation in intelligente Informationen zu meistern. Die Transformation sollte in einem Prozess der kontinuierlichen Verbesserung (KVP) erfolgen, damit die Redakteure sich flexibel an wechselnde Anforderungen anpassen können:

Abb. 8: Vorgehensmodell für Transformation der technischen Dokumentation. © Katrin Mehl, parson AG

Um ein Scheitern auf dem Weg zu intelligenten Infomationen zu vermeiden, gelten folgende Empfehlungen:

  • Gehen Sie iterativ vor, d. h. in überschaubaren Unterphasen mit begrenzten und messbaren Zielen.
  • Wenden Sie eine agile Projektmanagement-Methode wie Scrum an, die Sie dabei unterstützt, die Ziele für die Unterphasen festzulegen und die Ergebnisse zu prüfen.
  • Bilden Sie ein interdisziplinäres Team, in dem verschiedene Kompetenzen vereint sind: z. B. Technische Kommunikation, IT, Unternehmensorganisation und Produktmanagement.
  • Setzen Sie gleich zu Beginn des Projekts ein Change-Management auf, um Widerstände gegen geänderte Arbeitsprozesse zu vermeiden.
  • Denken Sie bereichsübergreifend.
  • Berücksichtigen Sie regulatorische Vorgaben, um die Dokumentation weiterhin normengerecht zu gestalten.
  • Setzen Sie, wenn möglich, auf Standards für die Informationsund IT-Architektur. Sie gewährleisten nachhaltige Lösungen.

Literatur

  • Bitkom (2018): Herausforderungen bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen meistern. www.bitkom.org [27.08.2018].
  • Fritz, Michael (2017): Was ist Intelligente Information? In: Hennig, Jörg/Tjarks- Sobhani, Marita (Hrsg.): Intelligente Information. Stuttgart: tcworld GmbH (= tekom Schriften zur Technischen Kommunikation 22) 11-25.
  • Becker, Birgit (2018): Information 4.0 – Anforderungen an Technische Redakteure. Masterthesis, Donau-Universität Krems, Department für Wissens- und Kommunikationsmanagement.
  • Ernst & Young GmbH (2017): Industrie 4.0: Status Quo und Perspektiven. Studie durchgeführt von Bitkom Research. https://www.bitkom-research.de/Industrie- 40-Status-Quo-und-Perspektiven-2017 [13.09.2022] Studie ist online nicht mehr verfügbar.
  • Kaufmann, Timothy (2015): Geschäftsmodelle in Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge (essentials). Wiesbaden: Springer Vieweg.
  • Nuding, Win (2017): Standards im Umfeld von Industrie 4.0. In: Hennig, Jörg/ Tjarks-Sobhani, Marita (Hrsg.): Intelligente Information. Stuttgart: tcworld GmbH (tekom Schriften zur Technischen Kommunikation 22) 67-80.
  • Laloux, Frederic/Kauschke, Mike (2015): Reinventing Organizations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. http://www.reinventingorganizations.com/ [13.09.2022].
  • Parson, Ulrike: Das Datenmodell der Technischen Dokumentation in iiRDS. In: Hennig, Jörg/Tjarks-Sobhani, Marita (Hrsg.): Intelligente Information. Stuttgart: tcworld GmbH (= tekom Schriften zur Technischen Kommunikation 22) 26-39.
  • Porter Michael E./Heppelmann, James E. (2015): How Smart, Connected Products Are Transforming Companies. https://hbr.org/2015/10/how-smart-connected- products-are-transforming-companies [13.09.2022].
  • Schüttelkopf, Elke M. (2015): Lernen aus Fehlern. Wie man aus Schaden klug wird. Freiburg: Haufe Verlag.
  • Tata Consultancy Services (2017): Digitalisierung. Deutschland endlich auf dem Sprung? Trendstudie von Tata Consultancy Services (TCS) und Bitkom Research https://studie-digitalisierung.de/ [13.09.2022].

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