iiRDS im semantischen Netz

von parson am 28. November 2022

Zugehörige Leistungen: Metadatenmodelle und Intelligente Informationen mit iiRDS

Welche Vorteile bieten Top-Level-Ontologien und intelligenter Datenaustausch für iiRDS?

Was passiert, wenn Daten und Metadaten aus verschiedenen Systemen miteinander ausgetauscht werden? Welche Rolle spielen Ontologien beim Datenaustausch und wie können Top-Level-Ontologien den Austausch verbessern? Und wie verhält sich der Standard für intelligente Informationen, iiRDS, zu diesen Überbau-Ontologien? Im Beitrag beschäftigen wir uns mit Unsicherheiten beim Austausch von Datenpaketen, dem Potenzial von Top-Level-Ontologien, Ambivalenzen zu beseitigen und wertvolle Ressourcen zu erschließen, und stellen internationale Initiativen vor, die sich diese Vorteile zunutze machen.

Foto: Diego Delso, delso.photo, License CC-BY-SA (Wikimedia Commons)

Ausgangslage: Probleme beim Datenaustausch am Beispiel iiRDS

iiRDS ist ein Austauschformat für Technische Dokumentation, das den Austausch von Inhalten und Metadaten zu diesen Inhalten standardisiert und die Lieferung von Dokumentation als intelligente Informationen ermöglicht. Als Austauschformat hat iiRDS zwei Bestandteile: Zum einen ein Paketformat für die Lieferung. Zum anderen ein standardisiertes Metadaten-Vokabular für die technische Kommunikation in Form einer Ontologie. So wird sichergestellt, dass die Metadaten verschiedener Dokumentationen die gleiche Sprache sprechen.

Dennoch kann es trotz der gemeinsamen Sprache zu Missverständnissen kommen, wenn ein iiRDS-Paket zwischen zwei Parteien ausgetauscht wird. Der Austausch von iiRDS-Paketen und Metadaten zwischen zwei Systemen ähnelt einem Austausch zwischen zwei verschiedenen Welten mit je eigenem Kontext. Was in der Produktwelt des einen eine Produktvariante ist, wird bei dem Empfänger vielleicht als Komponente weitergenutzt und entsprechend im Metadatenmodell einsortiert.

Die Erweiterbarkeit von iiRDS ist prinzipiell eine Stärke: Jede Partei kann eigene Metadaten als neue Klassen oder Instanzen in das iiRDS-Vokabular einbringen. Aber Erweiterungen stellen gewisse Anforderungen an Erzeuger und Verarbeiter von iiRDS-Paketen, denn es muss verhindert werden, dass diese die Metadaten unterschiedlich interpretieren. Solche Fehlinterpretationen können Fehlerquellen beim Austausch von iiRDS-Paketen zwischen verschiedenen Systemen darstellen.

Ein Beispiel: Das Paket mit iiRDS-Metadaten eines Kugellagers (Bearing) wird vom Ersteller zum Empfänger übertragen. Dabei wird die Produktvariante SuperBearing falsch als Komponente paketiert und dann als Maschinenteil auf Empfängerseite integriert. Die Produktvariante hat kein Gewicht, ein Maschinenteil dagegen schon. Durch die Übertragung wird die gewichtslose Produktvariante zu einer echten Komponente.

iiRDS-Metadaten eines Kugellagers (Bearing) werden vom Ersteller zum Empfänger übertragen und dabei falsch paketiert.

Doch ist die Neuinterpretation solcher Metadaten überhaupt relevant? Geht es um den Austausch von Paketen zum Befüllen eines Content-Delivery-Portals, wo über die Suchfunktion die mit Metadaten angereicherten Informationen gefunden werden, dann können solche semantischen Spitzfindigkeiten unbedeutend sein.

Anders verhält es sich bei komplexeren Anwendungsszenarien. Wenn Metadaten sehr viel Wissen über einzelne Komponenten und ihre Zustände transportieren, die den Gesamtzustand beispielsweise einer Maschine definieren, ist es wichtig, genau zu wissen, was sich hinter einem Metadatum verbirgt. Soll zum Beispiel das Gewicht einer Maschine aus seinen Komponenten abgeleitet werden, dann muss klar sein, ob es sich um die Benennung einer Produktvariante aus dem Marketing oder eine Komponente aus dem PIM (Produktinformationsmanagement) handelt.

Top-Level-Ontologien: Gemeinsamkeit durch Überbau

Wie lassen sich solche Interpretationsspielräume reduzieren und Ambivalenzen vermeiden? Um zu erreichen, dass zwei Ontologien das Gleiche sagen und auch meinen, kann man einen gemeinsamen Überbau schaffen, auf den sich beide Ontologien beziehen. Solch ein gemeinsamer Überbau von Ontologien wird als Top-Level-Ontologie (TLO) bezeichnet. Diese Überbau-Ontologien stellen generische, allgemeine Konzepte zur Verfügung. Einige Initiativen für Überbau-Ontologien und bereits entwickelte Top-Level-Ontologien wollen wir hier vorstellen.

OntoCommons-Initiative

Bei der OntoCommons-Initiative (Ontology-Driven Data Documentation for Industry Commons), gefördert von EU Horizon 2020, stehen industrielle Ontologien im Mittelpunkt. Experten für Ontologien tauschen sich in Webinaren, Workshops und Arbeitsgruppen aus mit dem Ziel, einen Rahmen für die Integration von Ontologien zu erstellen. Der Rahmen bedient sich etablierter Top-Level-Ontologien.

Descriptive Ontology for Linguistic and Cognitive Engineering (DOLCE)

Ein Beispiel für eine von OntoCommons unterstützte Top-Level-Ontologie ist DOLCE. Dolce versucht die Konzepte hinter der natürlichen Sprache zu erfassen. Zentrales Unterscheidungsmerkmal der Konzepte ist die zeitliche Dimension. So sind zum Beispiel alle Konzepte mit zeitlichen Teilen Perdurants und alle Konzepte ohne zeitliche Teile Endurants. Ein Fußballspiel wäre ein Perdurant, wohingegen der Fußball ein Endurant wäre.

Beispiel einer Top-Level-Ontologie: DOLCE (Descriptive Ontology for Linguistic and Cognitive Engineering)

Basic Formal Ontology (BFO)

Ein weiteres Beispiel einer Top-Level-Ontologie ist die Basic Formal Ontology (BFO). BFO ist sehr weit verbreitet und hat mit ISO/IEC 21838-2:2021 Eingang in die Normung gefunden. Darüber hinaus ist BFO sehr gut dokumentiert und die Basis für viele Ontologien im Bereich Life Science. Auch BFO ist Teil des OntoCommons-Rahmen zur Integration europäischer Ontologien. Auch BFO unterscheidet Konzepte entlang der zeitlichen Dimension.

Beispiel einer Top-Level-Ontologie: Basic Formal Ontology (BFO)

Nutzen und Nachteile von Top-Level-Ontologien

Inwiefern können nun Top-Level-Ontologien den Datenaustausch erleichtern? Ein Hauptnutzen von Top-Level-Ontologien ist die Reduktion von Mehrdeutigkeiten: Die eigenen Metadaten werden durch das Einsortieren in Top-Level-Kategorien leichter mit Metadaten anderer Systeme vergleichbar. Ist mein Konzept ein materieller Gegenstand, eine Qualität oder gar ein zeitlicher Ablauf? Diese Fragen lassen sich beantworten, wenn Metadaten in eine Top-Level-Ontologie integriert sind.

Ein weiterer Vorteil der Nutzung von Top-Level-Ontologien sind Best Practices der Ontologiemodellierung. Mit der Orientierung an TLOs wird eine Einheitlichkeit in die eigenen Projekte getragen. Die Daten werden dadurch besser wiederverwendbar und können leichter mit anderen Daten verknüpft werden. Das entspricht Forderungen wie jener der GO FAIR-Initiative, nach der Daten Findable (Auffindbar), Accessible (Zugänglich), Interoperable (Interoperabel) und Reusable (Wiederverwendbar) sein sollen.

Die Arbeit an Metadatenmodellen kann durch die Anwendung von Top-Level-Ontologien verbessert werden, zum Beispiel um Leitfäden für die Ontologie-Entwicklung zu erstellen und die erwähnten FAIR-Prinzipien umzusetzen. Beim Simple Knowledge Organization System (SKOS) werden Metadaten zum Beispiel mit weiteren Informationen angereichert, wie der Beschreibung von terminologischen Aspekten ("Preferred Label", "Alternative Label", "Definition", "Example").

SKOS: Beispiel mit angereicherten Informationen zu Terminologien

Aber: Top-Level-Ontologien erfordern zunächst einen Mehraufwand und können – je nach Sichtweise – auch die Komplexität erhöhen.

Wie steht iiRDS zu Top-Level-Ontologien?

In der Welt der Top-Level-Ontologien nimmt iiRDS die Rolle einer Mid-Level-Ontologie ein. Die iiRDS-Software und Maschinenbau-Metadaten sind wiederum ein noch konkreteres Vokabular auf Domain-Level. Aktuell in Arbeit ist eine Ausrichtung von iiRDS an die Top-Level-Ontologie BFO. Das würde Interpretationsspielräume einschränken sowie Missverständnisse reduzieren.

Positionierung von iiRDS innerhalb der Ontologiehierarchie

Vielfalt durch Top-Level-Ontologien

Neben der Reduktion von Ambivalenzen ermöglicht die Anwendung von Top-Level-Ontologien, weitere wertvolle Ressourcen zu erschließen. Wenn klar ist, worüber gesprochen wird und was Konzepte bedeuten, dann können Metadaten aus unterschiedlichen Quellen leichter integriert werden. Im Folgenden sollen hier einige für iiRDS relevante Beispiele genannt werden.

Industrial Ontology Foundry (USA)

iiRDS bietet ein Metadatenvokabular für den Austausch Technischer Dokumentation. Aber spezifische Metadaten der Produktionswelt sind nicht Teil von iiRDS. Diese Lücke versucht die Industrial Ontology Foundry (IOF) zu füllen. Die IOF ist ein US-Konsortium, dass sich der Erstellung von Ontologien für die digitale Produktion verschrieben hat. Diese Ontologien sind an BFO als Top-Level-Ontologie ausgerichtet. In den Ontologien der IOF findet sich zum Beispiel Metadatenvokabular für die Wartung.

Ontologie von IOF auf Basis der Top-Level-Ontologie von BFO (weiß hinterlegt) plus grau hinterlegte Maintenance-Klassen

Common Core Ontology (USA)

Ebenfalls bereichernd für iiRDS-Projekte können die Ontologien der Initiative Common Core Ontology (CCO) sein. Das US-amerikanische Projekt nutzt ebenfalls die Top-Level-Ontologie BFO. CCO setzt dort an, wo iiRDS bislang endet: beim domain-übergreifenden Vokabular, wie der geografischen Verortung und der Modellierung von Zeitpunkten und Zeiträumen, und wird zum Beispiel im medizinisch-pharmazeutischen Bereich bei der Entwicklung von Medikamenten eingesetzt.

Anwendung der Top-Level-Ontologie von BFO durch die Common Core Ontology (USA)

Fazit und Aussicht

Die Verwendung eines gemeinsamen Metadatenvokabulars erleichtert den Austausch von Informationen. Dennoch kann es zu Missverständnissen kommen, wenn die Konzepte des Metadatenvokabulars interpretiert und mit Leben gefüllt werden. Durch die Verwendung von Top-Level-Ontologien lässt sich der Interpretationsspielraum reduzieren. In die sehr grundlegenden Konzepte der Top-Level-Ontologien lassen sich bestehende Konzepte gut einsortieren. Die trennscharfen Unterscheidungen der Konzepte der Top-Level-Ontologie erleichtern das Verständnis der einsortierten eigenen Konzepte. So wird hoffentlich auch iiRDS leichter nutzbar.

Sie möchten tiefer in das Thema Top-Level-Ontologien und iiRDS eintauchen? Dann schauen Sie sich die Aufzeichnung des Vortrags "iiRDS im semantischen Netz" von Mark Schubert und Ulrike Parson auf der tekom-Frühjahrstagung 2022 in Potsdam an:

 

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